0DE AN DIE TUGENDEN DER FOTOGRAFIE

Fotos zu machen heißt heutzutage, das Smartphone in die Hand zu nehmen, um schnell eine Situation festzuhalten oder ein Selfie für Facebook oder instagram zu schießen. Der Begriff 'Knipser' erlangt dadurch eine ganz neue Aktualität. Doch was passiert mit den Tausenden von Fotos, die jeder so angesammelt hat und die auf Festplatten oder anderen Medien gespeichert sind, von denen niemand weiß, ob sie in 20 Jahren überhaupt noch lesbar sind. Und was ist, wenn der Telefonspeicher voll ist? Alte Dateien löschen, um weiter knipsen zu können? Ausdrucken? Das machen die Wenigsten. Es lohnt auch nicht, denn die Prints sind nicht lange haltbar und verblassen. Das gute alte Familienalbum ist bereits zu einem historischen Phänomen geworden. Die digitalen Entwickler haben es leider versäumt, Ratschläge für einen funktionierenden Umgang mit den Bilderfluten zu geben und so ist aus einem ehemals dauerhaften Foto eine temporäre Erscheinungsform geworden, eine digitale Sternschnuppe. An dieser Stelle komme ich mit der Kollodiumtechnik ins Spiel. Ich arbeite zwar seit vielen Jahren mit modernster, digitaler Fototechnik, habe aber auch noch die analoge Ära davor kennengelernt. Die Zeit kann und soll  hier nicht zurückdreht werden, aber ich möchte der medialen Beliebigkeit und Kurzlebigkeit etwas Wertiges und Dauerhaftes entgegenstellen: Das Kollodiumbild mit echtem Silber. Diese sogenannte Nassplattenfotografie, die Frederick Scott Archer 1851 entdeckt hat, war damals für die Entwicklung der kulturellen Menschheitsgeschichte ähnlich bahnbrechend, wie die Digitalisierung gute 130 Jahre danach. Ein Kollodiumportrait ist etwas ganz Besonderes. Hält man so ein Bild in der Hand, stellt man als erstes fest, das es WIEGT! Das Foto befindet sich in einer Trägerschicht auf Metall oder Glasplatten. Es ist EINZIG! Jedes Bild ist ein Unikat mit chemischen Artefakten. Dadurch ist es nicht möglich, zwei identische Bilder herzustellen. Es hat TIEFE! Zwischen silbrig schimmernden Highlights und extremen Schwärzen gibt es wunderbare Tonwerte und eine Tiefe, die von keinem anderen Medium erreicht wird. Es ist DAUERHAFT! Wie lange so ein Bild genau hält, weiß man nicht, aber 150 Jahre mindestens- also so alt, wie das Verfahren selbst. Und es DAUERT! Da für jede Belichtung eine frische Platte mit Chemie begossen und lichtempfindlich gemacht wird, schafft man nicht mehr, als etwa vier Fotos pro Stunde. Es ist sehr INTIM und PERSÖNLICH! Das behutsame Inszenieren, das Setzen des Lichtes und die geringe Anzahl an Fotos, lassen aus dem Shooting ein Teamwork der Personen vor und hinter der Kamera entstehen. Ich habe mich dieser Art der Fotografie mit Leib und Seele verschrieben!